
"Täterorte"
Zum schwierigen Umgang mit Relikten der NS-Vergangenheit
Über Möglichkeiten und Grenzen eines probaten Umganges mit den baulichen Hinterlassenschaften des NS-Regimes wird in Deutschland seit Jahren intensiv diskutiert. Ein Ende der Debatte ist nicht abzusehen. Hitzig geführte Kontroversen entzünden sich vor allem an der Frage, wie mit den unterschiedlichen Relikten der sogenannten Täterorte zu verfahren ist. Orte also, an denen die nationalsozialistischen Entscheidungsträger die Massenverbrechen des NS-Regimes planten und befehligten, sie jedoch nicht an Ort und Stelle in die Tat umsetzten.
Die Erinnerungsarbeit an solchen Orten ist besonders schwierig. Der konkrete Opferbezug fehlt, auf die Verbrechen und das Leiden und Sterben von Millionen von Menschen kann daher nur indirekt Bezug genommen werden. Gleichzeitig übt die Aura des Authentischen, die diese Orte umgibt, eine fast magische Anziehung auf zahlreiche Menschen im In- und Ausland aus. Jede Auseinandersetzung mit den verschiedenen Zeugnissen steht daher vor der Herausforderung, an die Taten zu erinnern, ohne den Tätern ein Denkmal zu setzen.
Der Obersalzberg ist ein solcher Täterort, der bis heute ganz im Schatten seiner NS-Vergangenheit steht. Die Sprengung und Abtragung der meisten Gebäude konnten seine Anziehungskraft nicht mindern. Während von offizieller Seite die schwierige Geschichte des Berges weitgehend totgeschwiegen wurde und die Hoffnung bestand, durch Trümmerbeseitigung und Aufforstung „Gras“ über die schwierige Vergangenheit wachsen zu lassen, nutzten clevere Geschäftsleute die Attraktivität des Obersalzbergs für Geschichtstouristen, NS-Nostalgiker und Rechtsextremisten, um einträglichen Geschäften nachzugehen.
Der Abzug der Amerikaner aus Berchtesgaden sorgte 1996 für ein politisches Umdenken. In diesem Jahr beschloss die Bayerische Staatsregierung nach Abstimmung mit dem Landkreis und Markt Berchtesgaden das sogenannte Zwei-Säulen-Konzept zur künftigen Nutzung des Geländes. Die Vergangenheit sollte historisch aufarbeitet und gleichzeitig an die touristische Tradition des Berges angeknüpft werden. Als erste Säule wurde am 20. Oktober 1999 die Dokumentation Obersalzberg und sechs Jahre später am 1. März 2005 das Berchtesgaden Intercontinental Resort (seit 1. Mai 2015 Kempinski Hotel Berchtesgaden) als zweite Säule eröffnet.
Das Zwei-Säulen-Konzept hat sich bewährt. Das permanent hohe Besucheraufkommen der Dokumentation Obersalzberg zeigt das anhaltende Interesse eines nationalen und internationalen Publikums an der ehemaligen Machtzentrale der Nationalsozialisten, Probleme mit Rechtsradikalen und NS-Nostalgikern gehören weitgehend der Vergangenheit an. Dennoch werden die Debatten über den „richtigen“ Umgang mit den Gebäuden und Gebäudeüberresten weiterhin äußerst kontrovers geführt und verdeutlichen die zahlreichen Probleme, die nach wie vor mit den Zeugnissen der NS-Zeit verbunden sind. Sie betreffen Historiker und Denkmalpfleger genauso wie die Landes- und Kommunalpolitik und die Bevölkerung vor Ort.
Das Institut für Zeitgeschichte, München-Berlin und das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege laden daher zu der Tagung „Täterorte. Zum schwierigen Umgang mit Relikten der NS-Vergangenheit“ ein, um diese Fragen in einem wissenschaftlich fundierten Rahmen zu erörtern. Experten aus der Bundesrepublik Deutschland und Österreich debattieren über methodische Grundsatzfragen, loten mögliche Formen der Erinnerungsarbeit und Kooperation aus, referieren über den Umgang mit „Täterorten“ in beiden Ländern und diskutieren über die regionalgeschichtliche Aspekte Berchtesgadens in vergleichender Perspektive. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage, wie das Zwei-Säulen-Konzept fortgeschrieben und in ein Gesamtkonzept für die Erinnerungsarbeit am Obersalzberg eingebettet werden kann.
Den Flyer zur Tagung finden Sie hier zum downloaden!
Das Tagungsprogramm zum Downloaden finden Sie hier!